Hallo,
ich möchte hier speziell die Lackierung der Blattoberflächen zum Thema machen (nicht Schleifen etc.), da ich in letzter Zeit einige Versuche gemacht habe.
Aber systematisch: Eine Lackierung kann folgende Ziele haben:
1.Die Standzeit beim Spielen zu verlängern,
2.De Lebensdauer des Blattes zu erhöhen,
3.Den Klang des Blattes gezielt zu verändern.
Ein trocken angespieltes Blatt ist relativ hell und dünn im Ton, durch die Aufnahme von Feuchtigkeit und mechanische Bewegung wird es voller und elastischer bis zum idealen Zustand, danach durch zuviel Feuchtigkeit schwerer, der Ton wird dunkler und matter, das Blatt wird unelastischer und wellig, bis man es auswechseln muss (=Standzeit).
Die Idee der Lackierung ist, das Blatt immer (oder länger) im idealen Zustand von Elastizität und Schwere zu halten - die Lackierung verschliesst (fast) die Feuchtigkeitsaufnahme des Blattes und verändert seine Elastizität, damit seinen Klang, in einer möglichst kontrollierten Weise. Nach diesen kurzen Vorüberlegungen hier der Versuch, aus meinen Experimenten Schlüsse zu ziehen.
1.Normale Lacke (Nitro-,Acryl- und Wasserlacke) ergeben einen hellen dynamischen Klang, dem aber der Körper (die Schwere) fehlt. Grosser Nachteil: diese Lacke sind unelastisch, die geschlossene Oberfläche bricht beim Spielen schnell auf und das Blatt zieht Feuchtigkeit wie vorher - ein vollgesogenes so lackiertes Blatt ist völlig unspielbar.
2.Alle "Gummierungen" im weitesten Sinn, also Gummierung, Vulkanisierung und Weichplastifizierung machen gewissermassen das Gegenteil. Diese Lacke brechen nicht, bleiben also konstant im Ton, weil der Feuchtigkeitsverschluss hält, die zähe Elastizität dämpft aber die Schwingungseigenschaften enorm. Diese Blätter klingen tendenziell dumpf und schwer.
3.Auch Wachse würde ich tendenziell auf die Seite der "Gummierungen" stellen. Wachse haben aber den Vorteil, das sie nicht "abbinden", also eher einen dauerzähen Flüssigkeitszustand darstellen, wie ein vollgesogenes Blatt, dass sich nicht mehr verändert. Gewachste Blätter haben einen schönen vollen Tonkörper, sind konstant, tendieren aber auch zur Dämpfung des Tonspektrums.
4.Das Naturprodukt Schelllack (Kaktuslausbrei!) wird mit Recht als erste Lösung dieses Dilemmas betrachtet. Schelllacke sind elastisch genug zur Oberflächenversiegelung, und hart genug für einen brillianten obertonreichen Ton. Interessant finde ich folgendes:
Schelllacke gibt es wachshaltig und wachsfrei (entwachst) zu kaufen. Für den Instrumentenbau werden glaube ich nur die wachsfreien Schelllacke verwendet. Die besten Erfahrungen habe ich aber mit wachshaltigen Schelllack gemacht - Der (dosierbare) richtige Wachsanteil gibt das ideale Verhälntis von Härte (Brillianz), Elastizität (Feuchtigkeitsverschluss) und Schwere (Tonkörper).
Ein Saxofonblatt in heftiger Vibration ist allerdings keine Stradivari! Nach einiger Zeit bricht auch die Schelllackierung auf und das Blatt zieht immer mehr Feuchtigkeit usw. und wird unspielbar. Es gibt aber eine Lösung, denn man kann dann die Versiegelung durch ein kurzes Spiritusbad (bzw. Abreiben mit getränktem Lappen) wieder schliessen (!!!) und/oder eine Zweitlackierung vornehmen.
5.Kürzlich habe ich noch eine bisher nicht verbreitete Lösung gefunden, die sehr vielversprechend ist. Textilkleber muss sowohl fest (reissfest) und auch hochelastisch (wie die Stoffe) sein - und genau diese Eigenschaften passen perfekt zur Blattlackierung! Den gut wasserverdünnten Textilkleber auf das Blatt auftragen und einreiben. Diese Blätter haben fast den Tonkörper von (Wachs)Schelllacklackierungen, aber eine viel längere Standzeit und Lebensdauer.
Generell ist zu sagen, dass man die frisch lackierten Blätter mit feinem Schleifpapier auf die richtige Stärke bringt (aber nicht wieder abschleifen!), aber eine gewisse Einspielzeit einzuhalten ist, bis die richtige Elastizität sich durch die mechanische Vibration herausgebildet hat.
Es gibt viele Feinheiten und Detailhypthesen, die ich hier nicht aufführen will, um den Betrag nicht gleich wieder zu "verwässern".
Ich bitte hier um ernsthaften Vergleich mit euren Erfahrungen, Bestätigung und natürlich Kritik. Vor allem die Beiträge von bluesbrot in diesem Forum fand ich sehr informativ und gaben mir Hoffung, dass meine Erfahrungen vielleicht doch jemanden interessieren.
Gruesse an alle!
rawi