jes schrieb:
Den ganzen Theoriekram brauchst Du vielleicht, wenn Du erst einmal den ersten Schritt getan hast. Am Anfang sicher nicht.
Was anderes habe ich nicht behauptet! Ganz am Anfang wenn es eh modal oder sogar komplett frei ist, ist theoretisches Wissen nicht notwendig. Ohne Theorie werden allerdings die nächsten Schritte fast unmöglich, da Musik wie der Jazz doch sehr komplex ist und ein Verständnis was da von den Akkorden passiert notwendig ist. Und dieses Wissen sollte man langsam nach und nach erweitern. Ich habe allerdings nirgends gesagt, Du musst erstmal alle Theorie auswendig können bevor man den ersten Ton spielen kann, das hast Du in meinen Text reininterpretiert.
Der Hemmschuh bei der Improvisation ist ja gerade sich von Regeln zu lösen, heißt, eben nicht nach Noten zu spielen und Regeln beachten zu müssen.
Das stimmt so nicht. Du musst Regeln kennen um sie bewusst brechen zu können. Und häufig werden dann aus anderen Bereiche Regeln auf wieder andere übertragen. Und auch das was Coltrane oder Parker gemacht haben folgt Regeln. Der Trick ist Theorie nicht als Hemmschuh zu sehen sondern nur als Hilfe um zu verstehen was passiert und dann damit arbeiten und spielen zu können. Und die Regeln kennen oder Akkordfolgen zu verstehen hindert Dich ja nicht daran selbst auszuwählen welche Töne Du wählst, Du verstehst aber durch Theorie warum eine grosse 7 über einen Dominantseptakkord ausgehalten vielleicht keine gute Idee ist, aber als Durchgangsnote funktioniert.
Deinen Regeln zu folgen heißt für mich sich in gesteckten Grenzen bewegen. Grenzen begrenzen. Begrenzungen verunsichern, außer man kann sie gefahrlos überschreiten. Dann sind es keine Grenzen mehr. Die Großen des Jazz haben bewußt Grenzen überschritten und Konventionen verletzt. Woher kommen sonst die viele Stile?
Es sind nicht meine Regeln, sie wurden eher von Leuten, die lange vor uns schon Musik gemacht haben entwickelt, weiterentwickelt und benutzt. Wie ich schon sagte, Theorie setzt keine Grenzen, die setzt man selbst. Wer aber sich nicht auskennt, kann keine Grenzen überschreiten, weil er nicht mal mitbekommt ob er was neues macht oder das was allgemein üblich. Und es geht auch nicht um Grenzen sondern darum zu verstehen was passiert, das ist etwas anderes. Wer sich durch Theorie eingeengt fühlt macht etwas falsch, das Gegenteil ist der Fall. Eingeengt durch Theorie fühlen sich meist eher Leute, die die Zusammenhänge und Theorie dahinter eher noch nicht verstanden haben.
Nur Musiklehrer tendieren meiner Beobachtung nach dazu die Theorie in den Mittelpunkt zu stellen und wissenschaftlich Improvisationen nach diesen Theorien aufzubauen. Als Einstieg viel zu kompliziert und abschreckend.
Und Du kennst alle Musiklehrer? Nochmal: es geht nicht um Wissenschaft sondern eher darum zu lernen warum klingt ein Solo von xy gut und das des Lernenden nicht so gut. Wie soll er es jetzt besser werden? Welche Didaktik, Methodik schlägst Du vor? Ich benutze Theorie als Begleitung zur Praxis und kombiniere es und baue beides nach und nach auf, der Schüler ist nie an dem Punkt überfodert zu sein. Es ist nur eine Frage der Methodik und wie Du Wissen vermittelst. Nochmal: Es geht nicht darum erst ein Theoriebuch auswendig zu lernen.
Viel wichtiger als Regeln finde ich, daß die Technik gut genug ist seine Ideen auch umsetzen zu können. Was nützen einem die schönsten ausgedachten 1/16-Variationen, wenn die Finger nur 1/4-Noten schaffen.
???? Wer sagt denn Du sollst Dich mit 16tel Variationen beschäftigen wenn Du nur Viertel spielen kannst, ist doch methodisch und didaktisch unsinnig. Aber nur Technik allein lässt Dich auch nicht besser improvisieren. Miles Davis war auch kein grosser Techniker konnte aber tolle Melodie spielen.
Und was das spielen von Phrasen und Licks angeht: wo ist die Improvisation, wenn ich genau das tue, was Tausende andere in der gleichen Weise vor mir auch getan haben? Da wird die Improvisation schnell zum freien Solo und außerdem langweilig.
Aha. Musik ist eine Sprache, deren Regeln man versuchen sollte zu verstehen, wenn man sie benutzen will. Das was Du sagst wäre so, als wenn man sagen würde, wenn man eine Sprache gelernt hat, unter anderem auch durch das Wiederholen von Sätzen, kann man keine Gedichte mehr in dieser Sprache dann schreiben. Das Lernen von Licks lässt Dich die Sprache besser verstehen und erweitert deinen Wortschatz. Es sollte aber auch nie darum gehen Licks im Rahmen von einem Solo einfach zu wiederholen aber das habe ich vorher in einem Post eh schon geschrieben gehabt.
P.S.: noch was. wir haben heute Bücher über die ganzen Musiktheorien. Was haben nur die großen Jazzer gemacht? Die hatten solche Bücher nicht, weil eben alles neu war?
Vieles ist auch damals gar nicht so neu gewesen und selbst Musiker wie Miles Davis und Charlie Parker haben sich intensiv mit Klassik beschäftigt. Damals lernte man viel von Lehrern und Hausmusik war weiter verbreitet. Die Auseinandersetzung mit Musik war damals anders als heute.
Lg Saxhornet