Hallo zusammen,
zu einigen Punkten möchte ich ganz gern etwas beitragen.
Leider fängt es schon mit deiner Eingangsthese an, HWP: die Meinung der Mensch nutze maximal 10 Prozent seines Gehirns konnte sich zwar lange halten – nicht zuletzt weil selbst Einstein einmal gesagt haben soll, er nutze selbst höchsten 6 Prozent (was inzwischen auch als widerlegt gilt, da diese Aussage sicher eine dokumentierte Diskussion nach sich gezogen hätte…) – gilt inzwischen allerdings als überholt. Ausgehend von dieser These wurden und werden von vielen Esoterikern und z.B. auch von Scientology Programme und Kurse angeboten, um die restlichen anscheinend „brach liegenden“ Areale zu nutzen.
Was man eher stehen lassen könnte wäre die Aussage: wir nutzen nur 10% unseres Gehirns gleichzeitig. Und das ist zum einen nachvollziehbar, zum anderen auch gut so. Denn warum sollte zum Beispiel unser Sehzentrum stimuliert werden, wenn uns jemand vor das Schienbein tritt? Wären ständig 100% unserer Hirnzellen aktiv, wäre das eher kontraproduktiv – wir hätten einen ewig andauernden epileptischen Anfall! Ebenfalls ein weiterer interessanter Effekt der „Auslastung“ unseres Gehirns: wenn wir bestimmte Dinge trainieren, verringert sich mit der Zeit die Anzahl der an diesem Prozess beteiligten Zellen – wir nutzen also zunehmend weniger Zellen gleichzeitig!
Aber auch diese Betrachtung ist nicht völlig korrekt, denn sie impliziert immer noch einen zu streng getrennten Aufbau des Gehirns. Es gibt zweifellos Areale wie das sensorische bzw. motorische Rindenfeld (Gyrus postcentralis bzw. praecentralis), die fest definierte Aufgaben haben. Aber Erinnerungen z.B. werden nicht in bestimmten Zellen gespeichert sondern als Muster über das gesamte Gehirn hinweg. Das gibt Anlass zu gleich zwei Folgerungen: bei einer Anzahl von ca. 100 Milliarden Zellen, von denen jede mit ca. 1000 anderen verbunden ist, ist die Anzahl an bildbaren Muster astronomisch, ein Bezug auf dieses unbekannte Maximum (unbekannt deswegen weil die Bildungsprinzipien dieser Muster und damit die genaue Anzahl unbekannt sind), wie er durch die 10%-Behauptung genommen wird, schlichtweg nicht möglich. Weiterhin ist wohl jede gesunde Zelle an irgendeinem neuralen Prozess beteiligt.
Was unbewusst durch die Evolution gegeben ist? Da wir das Ergebnis eines evolutionären Prozesses sind, ist wohl alles an uns durch die Evolution gegeben.
Dass für Verliebte, Verlobte und Verheiratete der Song, bei dem sie sich kennen gelernt, das erste Mal miteinander getanzt (oder ähnliches) haben eine besondere Bedeutung hat, liegt wohl auf der Hand. Auch dass Menschen die kein Instrument spielen Lieder singen oder pfeifen können, finde ich keineswegs verwunderlich. Kinder können reden, noch bevor sie Lesen und Schreiben können, geschweige denn die Regeln der Grammatik ihrer Sprache jemals erklärt bekommen haben. Wie sie es lernen? Durch Imitation, durch schlichtes Beobachten (Zuhören) und Nachahmen. Das ist nichts Esoterisches. Jeder kann Worte einer fremden Sprache sprechen, wenn sie ihm vorgesprochen wurden – ohne die Bildungsprinzipien oder die Bedeutung zu kennen. Da wir unsere Stimme täglich benutzen, in ihrem Gebrauch also mehr als geübt sind, und ein so bedeutsamer Song eventuell öfter bzw. intensiver Gehört wird als ein anderer, liegt es doch nur nahe dass gerade dieser Song mit dem vertrauten Organ wiedergegeben werden kann, oder? Gutes Beispiel, bei dem sich über den musikalischen Wert streiten lässt: Roger Whittaker singt Deutsch, kann es aber nicht sprechen. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen zu behaupten, er hätte einen Zugang zur Deutschen Sprache auf metaphyischer Ebene – er hat die Texte auswendig gelernt.
Auch der Verlust der Sehfähigkeit bringt hier nichts Neues in die Diskussion: etwas über das Ohr aufgenommenes und über die Stimme wiedergegebenes hat mit dem Auge nichts zu tun. Oftmals ist es sogar einfacher, etwas Gehörtes wiederzugeben, als etwas Geschriebenes (wieder das Beispiel der das Lesen lernenden Kinder: sprechen können sie, doch die ersten gelesenen Worte wirken sehr holperig).
Ich will nicht sagen, dass Musik nicht etwas Emotionales sei – das ist sie zweifellos. Und ich gebe dir völlig recht, es kann nur von Vorteil sein, einen intuitiven Zugang zur Musik zu haben bzw. zu versuchen, ihn zu entwickeln. Aber dabei sollte nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen werden finde ich. Und entschuldige bitte, wenn ich das so frei heraus sage: manches aus dem Eingangsbeitrag klingt sehr esoterisch, scheint mir aber sehr normal.
Ist das Ziel der „Mentalen Methodik“ umformuliert nicht einfach, zu lernen aus dem Bauch heraus zu spielen? Das fände ich gut, denn das will ich auch lernen
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<em>editiert von: researcher, 13.09.2005, 12:55 Uhr</em><!-- end editby -->