Jazzstile - Swing I
Parallel zur Entwicklung des archaischen Jazz in New Orleans, dessen Weiterentwicklung in Chicago und anderen Städten im Norden der USA hatte sich eine neue populäre Musikkultur mit Zentrum in New York heraus gebildet. Eng daran geknüpft ist die 28. Straße in Manhattan, zwischen der 5. und 6. Avenue, die Zinnpfannenallee. Hier klimperten von morgens bis abends die Klaviere, die die neuesten Schlager der Komponisten der hier beheimateten Verlagshäuser vorstellten.
Um 1900 gab es weder Schallplatte noch das Radio. Aber es gab eine neue Schlagerkultur. Komponisten und Texter überwiegend jüdischer Abstammung komponierten einfache Liebeslieder und die großen Verlagshäuser verkauften das Material in Form von Noten. Um diese zu verbreiten, hatten sie Pianisten angestellt, die in kleinen Musikzellen interessierten Musikern, Bandleadern und Tänzern die neuen Lieder vorspielten. Der Lärm der durcheinander spielenden Klaviere in der 28. schließlich gab der Straße ihren Namen.
In einer dieser Musikzellen saß ein gewisser George Gershwin, der, inspiriert durch den Jazz und auf der Suche nach gehobener Unterhaltungsmusik schnell vom Hauspianisten zum Stückeschreiber aufstieg. Wenn wir heute die Standartliteratur des Jazz durchsehen, finden sich all die Songwriter aus gerade diesen Verlagshäusern der 28. Straße wieder: Gershwin, Berlin, Kern, Richard Rodgers, Cole Porter, Harold Arlen, Harry Warren und Arthur Schwartz. Ihre Songs, ihre Melodien und Changes haben alles Stilrichtungen des Jazz überlebt und maßgeblich beeinflußt. Selbst die innovativen Bebopthemen beruhen auf den Akkordfolgen der damaligen Lieder.
Warum ich die Zinnpfannenallee im Kapitel Swing einführe liegt auf der Hand: die Geschichte des Swing ist die Geschichte von der Kommerzialisierung des Jazz. Ende der 20er Jahre gibt es die Schallplatte und das Radio. Was in der Tin Pan Alley um die Jahrhundertwende noch von Hand vorgespielt werden musste gab es jetzt auf Platte oder als Lochstreifen für die automatischen Klaviere. Die Rechte an den Kompositionen lagen aber immer noch in den Händen dieser großen Verlagshäuser in New York und die neuen Medien bescherten diesen massiv wachsende Einnahmen.
Wie eng der Erfolg der Swingmusik in den 30er Jahren mit dem Kommerz zusammen hängt, zeigt die Euphorie, die die wöchentlich ausgestrahlte Werbesendung der National Biscuit Company für ihre Ritz Cracker auslöste. durch diese einstündige Radioshow mit der Benny-Goodman-Band fand die Swingmusik schlagartig zu allgemeiner Popularität.
Das Markenzeichen der Swingmusik sind die großen Bigbands. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre mussten die Kneipen, Dance Halls und Ball Rooms massenweise schließen. Die so arbeitslosen Musiker organisierten sich neu und gründeten Ensembles nach dem Vorbild von Fletcher Hendersons Kentucky Club Orchestra oder des Orchesters von Duke Ellington, Bandleader, die schon in der 20er Jahren mit größeren Besetzungen experimentierten. Arbeit gab es bei den neuen Radiosendern. Das hieß aber auch, dass die Musik Zugeständnisse an den allgemeinen Musikgeschmack machen musste. In den Rundfunkstudios verbanden sich so die Schlager der Tin Pan Alley mit dem Spieltechnik der aus der Jazztradition kommenden Musiker.