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THEMA: Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk

Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 11 Jan 2012 00:55 #106033

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Hast völlig recht, Hans, ich stimme dir, wenn auch ungern (-; in allen Punkten zu.

In dem Thread nebenan ging es nicht darum, ob studierter Jazz schlechter als der originäre ist, sondern darum, ob man die Qualität von Jazz überhaupt beurteilen kann und sollte. Ich meinte, ja.

Auch die ersten Aufnahmen des New-Orleans-Jazz kann ich beurteilen, wenn ich entsprechende Wertungskriterien an der Hand habe. Dazu gehört aber mehr, als man an der Hochschule studiert.
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 11 Jan 2012 11:37 #106039

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hwp schrieb:
....Jazz nachspielen ist etwas völlig anderes als Jazz `machen`!

Jazz `machen`, ist ein eigenständiger, selbst bestimmter Vorgang einer Erzählung oder Unterhaltung durch Zunahme von Musikinstrumenten!

Wer glaubt, dass Jazz nur Jazz ist, mit den bisherigen Stilelementen, der nimmt dem Jazz die Autonomie, die ihn ja eigentlich ausmacht!
...
Die wirkliche Kunst liegt in der Einzigartigkeit, der Inspiration und Intuition des musikalischen Vorgangs, bei dem du nicht weiß was passieren wird, nach meiner Meinung die höchste Form des Vorgangs `Jazz ` !
..
Jazz bedeutet auch Freiheit, wo leider zu häufig diese freiheitliche Autonomie den geregelten Bedingungen unterworfen wird.

Der Jazz wird in den Käfig gesperrt, zu Gunsten der Wieder Erkennung, wobei die Wieder Erkennung in Verbindung gebracht wird mit den Erlebnissen des Zuhörers.
..
LG Hans

Hallo Hans
Also in Vielem stimme ich Dir zu, den Rest interprätiere ich mal so, wie ich denke, daß Du es meinst.

Auch Jazz hat Regeln, sonst wäre jede Art von Musik Jazz (auch ein Bach oder Mozart gibt ein Thema vor, welches immer wieder variiert wird; in der heutigen Musik ist das mit der Variation so eine Sache). Die Analogie zu Deinem Gespräch wäre die Sprache, also sowohl Sprache an sich (Deutsch, Englisch...) als auch der Sprachstil (eine Unterhaltung zwischen einem englischen Werftarbeiter und einem Adeligen würde sehr kurz).
Was ich meine ist, wenn Jazz für Dich mit unendlicher Freiheit verbunden ist, lediglich mit der Einschränkung, daß es auf Musikinstrumenten (und Gesang) stattfinden muß, dann ist jede Art von Musik Jazz und wir können alle anderen Stilrichtungen vergessen.
Umgekehrt: genau, was ich sagte, der Jazz ist tot, weil heute nur noch kopiert wird, nachgespielt, analysiert und in Regeln gepackt (wie oft lese ich hier, wenn Du über diese und jene Tonart improvisieren willst, MUSST Du diese oder jene Tonleiter verwenden..)variiert, möglichst mit Kommerzgedanken im Hinterkopf. Kreativer Jazz, das kann kaum noch jemand.
JEs
"Das größte Verbrechen eines Musikers ist es, Noten zu spielen, statt Musik zu machen." Zitat: Isaac Stern (*1920)
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 11:21 #106054

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Hallo zusammen,

Hochschuljazz - was ist das eigentlich ? Wenn ich nichts übersehen habe, steht hier nirgendwo, was die Jazz-Studierenden an deutschen Hochschulen eigentlich wirklich konkret lernen !

Studienziele sind (1) die jungen Musiker auf die Erfordernisse der sich ständig verändernden Berufsfelder vorzubereiten

und (2) sie in der Entwicklung ihrer eigenen künstlerischen Persönlichkeit zu befördern


(1) bedeutet, die jungen Leute bekommen (von einem schon hohen, in anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen festgestellten Stand ausgehend) das notwendige (kunst-)handwerkliche Rüstzeug, das von einem Profi erwartet werden kann.
Dazu gehört auch "sich musikalisch sicher in den unterschiedlichen Stilistiken der Jazzgeschichte bewegen zu können". Dazu gehören solide Kenntnisse in Instrumentaltechnik (für Saxophonisten obligatorisch: doublings / Flöte(n), Klarinette(n), sonst kann man einen Job in einer Bigband vergessen und natürlich Klavier), Jazzgeschichte, Aufbau eines Standard-Repertoirs, Blattspiel, Arrangement, Komposition, Gehörbildung, Harmonielehre, Ensemblespiel (Bigband und alle Varianten kleiner Besetzungen) und natürlich Improvisation in allen vorstellbaren "Freiheitsgraden".

Unterschiede in diesem "Pflichtkanon" ergeben sich bei der Gesamtausrichtung der Studiengänge: Wieviel pädagogische Elemente werden integriert? (Wieviele Jazzmusiker können überleben ohne zu unterrichten ?) Oder geht der Schwerpunkt in Richtung solistische Tätigkeit oder Musikproduktion - mit Studienanteilen in Studiotechnik, Marketing, Recht, ...?

@prinzipal: Die Studienabschlüsse heißen dann bspw. "B.A. Jazz - performing artist", "M.A. improvising Artist", "M.A. Producing Artist", irgendwo kommt dann ggf. noch ein "educational" in den Titel

In Bereich (1) gibts also schon unglaublich viel zu lernen.

Das Entscheidende ist für eine künstlerische Ausbildung letztendlich Teil (2), schwer in curricula zu fassen und oft abhängig davon, ob die Chemie zwischen dem Schüler (m./w.) und seinen Lehrern (dito) stimmt. Erfreulicherweise habe ich bisher immer feststellen können, dass die Jazzdozenten an den Hochschulen ihren Studierenden stilistisch alle Richtungen zugestehen und sie ermutigen, neue Dinge auszuprobieren und neue Wege zu suchen, die Schüler sind auch selten als "Kopien" der künstlerischen Arbeit ihrer Lehrer zu erkennen.

Auch hier gibt es konzeptionelle Unterschiede, mit denen sich die Jazzstudiengänge am Bildungsmarkt positionieren wollen: sie heißen dann bspw. "...Jazz und populare Musik ...", "... Jazz und neue Musik ..." , "... Jazz und improvisierte Musik ..."

Da die meisten Hochschuldozenten praktizierende Musiker sind, ist die Jazz-Ausbildung keineswegs ein künstlerischer Elfenbeinturm ! Aber wo sonst, wenn nicht in einer akademischen Bildungsstätte kann/muss der Blick nicht nur nach rückwärts, sondern auch nach vorne gerichtet werden, geforscht und experimentiert werden ?

Ich freue mich über eine aufgeschlossene Musiker-Generation, die nicht nur das Realbook im Kopf hat und unzählige historische Aufnahmen transkribiert hat sondern auch mal auf der Bühne ihr eigenes Ding macht, dem Publikum was zutraut und nicht nur in sicherem Fahrwasser "das spielt, was die Leute halt hören wollen".

Und nebenbei bemerkt: Bald wird es in Deutschland/Europa kaum noch möglich sein, einen Job zu kriegen ohne das Bachelor-Examen in der Tasche, "gut" zu sein wird nicht mehr genügen, der hohe output der mittleweile mind. 16 Jazz-Hochschul-Studiengänge muss ja auch irgendwie geschützt werden !

musikalische Grüße

TBsax
. . . practice long notes every day !
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 11:35 #106055

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TBsax schrieb:
.....Studienziele sind (1) die jungen Musiker auf die Erfordernisse der sich ständig verändernden Berufsfelder vorzubereiten

und (2) sie in der Entwicklung ihrer eigenen künstlerischen Persönlichkeit zu befördern


(1) bedeutet, die jungen Leute bekommen (von einem schon hohen, in anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen festgestellten Stand ausgehend) das notwendige (kunst-)handwerkliche Rüstzeug, das von einem Profi erwartet werden kann.
Dazu gehört auch "sich musikalisch sicher in den unterschiedlichen Stilistiken der Jazzgeschichte bewegen zu können". Dazu gehören solide Kenntnisse in Instrumentaltechnik (für Saxophonisten obligatorisch: doublings / Flöte(n), Klarinette(n), sonst kann man einen Job in einer Bigband vergessen und natürlich Klavier), Jazzgeschichte, Aufbau eines Standard-Repertoirs, Blattspiel, Arrangement, Komposition, Gehörbildung, Harmonielehre, Ensemblespiel (Bigband und alle Varianten kleiner Besetzungen) und natürlich Improvisation in allen vorstellbaren "Freiheitsgraden".
.....

Genau das ist doch der Punkt:
Es wird Handwerkszeug vermittelt, Gesetze und Regeln, Erfahrungen, Theorien, sogar Figuren typisch für eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Stil. Sogar, welche Instrumente (wer sagt mir denn, daß man mit einer Harfe z.B. nicht jazzen kann?) Alles abgeleitet aus der Vergangenheit, von dem was schon da war oder vielleicht gerade ist.
Es wird ein System vermittelt sich in bereits existierenden Musikstilen zu bewegen statt neue Stile zu entwickeln.
Wo hat eine Hochschule einen neuen Musikstil entwickelt? Vielleicht sogar einen neuen Jazz-Stil?
Solange an Hochschulen überwiegend verkorkste Möchtegernberufsmusiker dozieren, die nur auf dem ewig Gestrigen aufbauen und nicht offen sind für Neues, wird es auch nichts Neues geben. Hans hat es gesagt, Jazz hat was mit Freiheit im Denken zu tun.
JEs
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 11:37 #106056

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Moin!

Diplomvorprüfung Jazz (Diplommusiklehrer/in)
Abschluss- und Teilprüfungen im Zusatzfach Jazz
Abschluss- und Teilprüfungen Jazz (Diplommusiklehrer/in)
Diplomprüfung Jazz, Abschlussprüfung im Hauptfach Jazz (Diplommusiker/in)
( www.hfm-wuerzburg.de/service/downloadbereich.html )

Am Ende heißen sie anders ….man traut sich scheinbar nicht so recht!


Ja die Musikwissenschaftler, da wird das Erlernte in Stein gemeißelt oder in Blechdosen verschweißt!
Vom ersten Belegungsplan der Sklavenschiffe, über Work und Plantation Songs, Mistrelshows u. Ragtime, bis hin zur heutigen Weltmusik.

Ich stelle mir gerade vor, wie diese Studierten, Zeit zurück versetzt im Jahre 1919, der deutschen Yankee Jazz Band von Eric Borchard erklären, das ihre Musik nicht der Unterhaltung dient.
Diese Annahme von Kunst und Künstler im Jazz, gleicht ja fasst einem Zölibat der `Popularitätslosigkeit `!

Dieses Zölibat dann scheinbar herhalten muss, also wie eine Prophezeiung die sich selbst erfüllt, das der wahre musikalische Künstler zwangsläufig keinen Erfolg haben kann.

Aus diesem Blickwinkel heraus, in trockenen Tüchern geboren, Studium oder eben zweiter Bildungsweg, stellt sich natürlich die Soziale wie Jazzgeschichtliche Frage:

Wie hat der ehemalige Junge aus dem Kohlenviertel von New Orleans es nur geschafft, die
Beatles 1964 aus den Charts zu kicken, woraufhin er dann 1965 zwei Grammy`s gewann!
Und dann im eigenen Land der Beatles, UK 1968 noch mal Platz 1 einzunehmen!



@pue

Das ist ja mal ein übereinstimmender Anfang 2012.

Dir ist aber bewusst dass ich den Parameter der Musikantensprache nicht folge,
mehr hier von, mehr davon, bessere Erweiterung nach da, etc.

Es gleicht für mich einer musikalischen Aussage, die dann im Rückwärtsgang der Analyse und Bearbeitung zum Schluss die Frage aufwirft, ob das noch meine musikalische Aussage war!

Natürlich ist mein Figurenspiel der Intuition in Reflexion zum Instrument auf dünnen Eis, wer versetzt sich schon in die Unkenntnis der Musikantensprache um wie die ersten der Ersten zu agieren!
Nicht können wenn ich wollte ist letztendlich nicht wollen auch wenn ich könnte, und so mache ich das halt `jungfräulich, ich will ja nicht Musiker sein sondern Entdecker.
Ein Experiment ohne Kenntnis vom Experiment!
Dr. Koch entdeckte das Tuberculum, aber nicht weil er vorher wusste wie man es entdeckt!
Und so ist es immer eine Reise ins Unbekannte, mit der Chance zu entdecken.

Du hörst und probierst zu flöten, bis du eines Tages hörst und blitzartig nachflöten kannst oder sogar frei improvisierst, ein Mechanismus nicht jenseits der Übung, aber jenseits einer Grifftabelle, jenseits einer Note, ein Artefakt in der menschlichen Evolution.

Die Evolution hat ein Kunstwerk an uns vollbracht, Mozart wie Lester Young konnten etwas hören und sofort nachspielen.

Es scheint Kanäle zu geben die bei jedem verschieden ausgeprägt sind, aber die wir auch nicht so recht ergründen an uns selbst.

@Jes


Der Jazz ist wie die Musik von Bach, Mozart und Beethoven eine Variante der `Kunstmusik`.

Der Begriff ist nicht der glücklichste, weil er nicht nur die Stile trennt, sondern auch leicht die
Wertigkeit der Musik. Adorno spricht in - Einleitung in die Musiksoziologie- von geistig fähigen Material bei Kompositionen.
d.h. in etwa, das man im Rahmen von höchster Kunstmusik -> Klassik z.B. *Beethovens 9te * nicht mit *We all live in a yellow submarine* in einen Topf schmeißen kann.

Die Begriffe von E/U Musik halte ich für Kokolores, als wenn ein Klassikkonzert („ernsthafte Musik“) NICHT unterhaltsam sein dürfte. Interessiert lediglich die Interessenverbände,
GEMA zahlt mehr für „E-Musik“.


Nein, nicht alles ist Jazz, ich verneine nicht die Elemente der Jazzmusik.

Aber ich setze alles neu zusammen, mit einer relativen unvorbelasteten intuitiven Haltung.

Ich bin ja kein Musiker der mit Geld gezwungen wird sich dem musikalischen Treiben zu stellen, oder ein Onkel an der Heimorgel, der Hausmusik betreibt um der familiären Zusammenkunft eine musische Note zu geben.

Ich bin nur dem Klang als Kunst in der Kunst verpflichtet.
Wenn ich mental gut drauf bin, also nicht zwischen Tür und Angel, ….dann mach ich!
Ich nehme einen rhythmischen Hintergrund, Begleitung, und mache dann, ….mach das ganze frisch!
Listen-feel -and play, keine Kompromisse, keine Noten! (Als Musiker geht das nicht!)

MPC sind ein durchdachter technischer Teil der dem Ganzen dienlich ist.

LG Hans
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 12:13 #106057

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Hi,

@jes: mein posting war zu lang, Du beziehst Dich nur auf den ersten Teil, in (2) habe ich was geschrieben, dem Du wohl eher zustimmen kannst.

Deine Ansicht, die Hochschulen seien zu dogmatisch, starr und rückwärtsgewand wird in den USA im übrigen seit Jahren wie ein Glaubenskrieg diskutiert - Wynton Marsalis steht für die Entwicklung allen Jazz-Musikertums aus den Wurzeln des Blues und wird dafür regelrecht angefeindet.

Mein persönlicher HIntergrund ist genau andersrum: Da einer unserer Söhne gerade ein Jazz-Studium (Hauptfach Saxophon) an einer deutschen Hochschule begonnen hat, wurde im Bekanntenkreis mehr als einmal die Frage gestellt, was er denn damit anfangen will. Und einige Berufsmusiker haben die gegenteilige Meinung zu Dir vertreten: An den Hochschulen wird heutzutage zwanghaft auf Kosten des Steuerzahlers Zeugs unterrichtet, das in der Wirklichkeit des Kulturbetriebes/Profi-Musiker-Daseins kaum einer hören will, sie (die Hochschulen) sind ein Schutzgebiet für die letzten freejazzer, die sich zu schade sind im Bigbandsatz zu spielen oder gar nicht swingen können - und demzufolge ihren Studenten auch nicht das nötige Rüstzeug vermitteln können.

In meinem posting oben habe ich versucht, meinen Eindruck zu vermitteln, dass tatsächlich in den Jazzstudiengängen von ausübenden Musikern (gerade ist im Übrigen ein Generationswechsel in der Dozentenschaft zu beobachten)
sowohl die Tradition, das Handwerk als auch die zeitgenössische Musik und der Blick über den Tellerrand praktiziert werden.

Mich hat dieser Einblick als Vater sehr beruhigt !

Gruß

TBsax
. . . practice long notes every day !
Letzte Änderung: 12 Jan 2012 12:24 von TBsax. Begründung: Rechtschreibung . . .
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 12:38 #106058

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Die Größen im Jazzgeschäft, und das sollte man immer im Hinterkopf behalten, machen vielleicht gerade mal ein Millionstel derer aus, die sich in der Praxis professionell mit dem Jazz auseinander setzen.

Es gleicht also schon einem Lottotreffer, wenn ein studierter oder auch unstudierter Jazzer an die Genialität eines Lester Young heran reicht, zumal er die Chance ja gar nicht mehr hat.

Bei dem großen Output der Universitäten, der Lernstruktur und den sozialen politischen und globalen Umständen besteht keine Chance darauf, einen Stil zu gründen, der sich welltweit durch setzt. Schier unmöglich und nicht vergleichbar mit der Situation vor hundert Jahren, wo sich eine handvoll Musiker treffen und den Bebop entdecken konnte. Das spielte sich nachts in zwei Kneipen ab. Wird nie mehr passieren können.

Es ist also ein ungerechter Vergleich, wenn man fordert, dass doch die Uni Stile hervor bringen sollte und innovativ initialisiert. Das tut sie bestimmt, aber es gibt nicht mehr die ein-zwei Plattenfirmen, die damals das Monopol auf die Verbreitung von Avantgarde-Musik hatten. Das gehört auch dazu.

Es wird keine Megastars mehr geben. Im Jazz schon gar nicht.
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 13:11 #106059

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Hi,

grundsätzlich stimmt das alles. Auch dass durch die (ich weiß, das Wort ist abgedroschen) Kommerzialisierung und Industrialisierung der Musik, durch das Begreifen von Kunst als Ware mit einem Marktwert, der von der Anzahl der zahlenden Konsumenten bestimmt wird, möglicherweise eine vitale Neuschöpfung kaum noch möglich ist.
Allerdings halten wir uns vor Augen, dass auch die verehrten Bach, Haydn, Mozart ohne ihre Gönner nicht überlebensfähig gewesen wären. In diesem Fall also haben einige wenige Kunst durch ihre finanzielle Potenz entstehen lassen. Untergeher, wie Thomas Bernhard sie genannt hat, gab es auch damals schon.

Wenn man allerdings Kenny G zum Jazz rechnet, also zu im weitesten Sinne improvisierter Musik, dann gibt es immer noch so etwas wie Megastars. Man muss die Entscheidungen des Publikums nicht unbedingt gut heißen. Aber sie sind da und Tatsache.

Von den Musikhochschulen zu fordern, dass sie als Petrischale neuer Entwicklungen dienen sollen, ist sicherlich eine ebenso richtige wie sinnlose Forderung. Es sind die Zeiten vorbei, da sich eine Handvoll Schüler um den verehrten Olivier Messiaen geschart haben und seine Ausführungen zur Farbe von Akkorden gehört haben. Und auch zu der Zeit war die Kluft zwischen ernster Musik und dem Publikum schon so groß, dass sie nicht zu überbrücken war.

Wobei man streiten kann, ob die Kluft jemals kleiner war. Vielleicht der letzte, der die Brücke geschlagen hat, war Richard Strauss (also der Münchner Strauss - nur zur Sicherheit).

Zurück zu den Hochschulen: In der Fülle des Wissens, der Techniken, der Anforderungen geht sicherlich auch ein wenig verschütt, was eigentlich Musik ist und dass die Regeln, die man lernt, einem Zweck dienen und nicht selbst das Ziel sind. Ideen schafft diese Ausbildungsweise nicht. Bestenfalls verhindert sie sie nicht.
next time you see me...
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 14:38 #106060

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@pue

1. Ich habe niemals gesagt, daß ich fair argumentiere.
2. Du gibst mir, bei meiner Unfairness, auch noch Recht in dem Du bestätigst, daß von den Unis keine neuen Stile (des Jazz) kommen oder kommen können.

So und jetzt übertrag das auf den Jazz:
Es wird neue Jazzstücke geben in altem Stil, o.k..
Es wird Musiker geben, die sich in den alten Stilen musikalisch mehr oder weniger sicher bewegen können (ich gehöre nicht dazu :( )

ABER ich bleibe dabei, der Jazz ist tot, weil es keine Weiterentwicklung mehr gibt und geben wird. Die Begründung lieferst Du ja selbst.

JEs
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Jazz aus der Hochschule - Musik aus dem Volk 12 Jan 2012 14:56 #106062

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Ich wollte dir auch gar nicht widersprechen, jes.

Wollte nur darstellen, dass der Jazz des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem Jazz des einundzwanzigsten nicht mehr zu vergleichen ist; sind einfach zwei zu verschiedene Schuhe.

Die 'verkorksten Möchtegernberufsmusiker' an den Universitäten sind meist die besten Profis, die meine Generation hervor gebracht hat. Ich finde den Ausdruck überheblich und das ist nun wirklich eine Kritik an deinem Posting.

Die gesellschaftlichen Strukturen lassen neue Stile nicht mehr zu. Die Musik, von Ethno über Klassik, Rock und Jazz fusionieren. Kaum noch eigene Stile können überhaupt entstehen. Das liegt aber weder an der Ausbildung der Musiker noch an fehlender Genialität.

Positiv daran ist, dass die monopolen Vertriebsstrukturen aufbrechen, dass ein jeder von zu Hause aus weltweit produzieren kann und wir eine Musikvielfalt geniessen können, wie wir sie nie hatten.

Negativ, dass die Stile verwischen bzw. keine relevanten neuen mehr entstehen können. Ein Stil braucht einen Hype und vor allem einen Vorgängerstil. Seit den 1980er Jahren gibt es diese eindeutigen Stile nicht mehr im Jazz. Schnee von gestern.
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