In allen Stilen des Jazz wurde improvisiert. Stilbildend muss also etwas anderes gewesen sein. Dies waren Rhythmus, Besetzung, harmonische Erweiterung, Ausdünnung und immer wieder zuvorderst die sozialen Zusammenhänge und Arbeitsbedingungen der Musiker. Alle zehn Jahre etwa veränderten sich diese Bedingungen im in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts durch ganz unterschiedliche Umstände. Die Stile bildeten sich eher aus dem sozial-politischen Umständen, nicht aus der Improvisation.
Nach gleicher Art und Weise, wie die Themen interpretiert wurden, waren auch die Improvisationen. Die erste Aufnahme eines Parker-Solos in einer Swing-Big-Band verrät wenig über die, im übrigen recht intellektuelle, neue Spielweise, die die Jungs anschließend (oder besser nebenher) entwickelten.
Titel des Cool Jazz klingen genau so cool wie deren Improvisationen.
Die Improvisation im Bebop folgt nicht dem Regelwerk, die Jungs haben es erfunden. Sie trafen den Nagel all zu sehr auf den Kopf, knüpften fast an die harmonischen Errungenschaften der Klassiker an und waren ganz weit vorne. Glaube nicht, dass sie keine Noten aufgeschrieben hätten.
Im Gegensatz zu Prinzipal halte ich die Regeln der Harmonie für naturbedingt und nicht frei. Der Bebop hat die Regeln nach dem damaligen Stand der Hörgewohnheiten stark ausgereizt. Diese Spezialisten waren Vordenker und so stark, dass sie bis heute die Art und Weise bestimmen, wie Jazz gelehrt wird, zumindest in Hinsicht auf Harmonieverständnis.
Was danach kam, war Gefühl. Und das war so stark, dass es ohne die schnellen Changes und ausgefuchsten Licks der Beboper aus kam. Man durfte cool spielen, durfte modal spielen. Ein ganzes Stück mit einer Tonleiter. Grandios die Musiker, die mit ihrem Sound, ihren Pausen und einer ganz anderen Auffassung von Zeit alle Grenzen sprengten, obwohl die musikalischen Strukturen sich stark vereinfacht hatten. Miles Davis wirkte am Ende mehr durch das Nichtspielen denn das Spielen.
Ich gerate ins Schwafeln, Pardon.
Ausbruchsversuche im Free und Avantgarde Jazz, bzw. in den freien Teilen, bedürfen deshalb der Gewöhnung, weil die Vorbelastung durch das Regelwerk bei manchem Musiker Extreme auslöst die zur Skurrilität verleitet.
Ups, wer bricht aus? Coltrane, Coleman machen bereits 'Free Jazz', sind sicher gewöhnungsbedürftig, aber bitte, sie haben bestimmt mehr als Versuche gemacht.
Karlheinz Stockhausen, ich war nie ein Freund von ihm, hatte extrem unterschiedliche Auffassungen von Musik. War sein Werk in den früheren Jahren davon geprägt, den Musiker durch Techniker zu ersetzen, die nach genauen Vorgaben der elektronischen Parameter ein jedes Werk bei jedem Konzert gleich erklingen lassen sollten, so schwenkte er in den 50ern um und gab dem Musiker mehr und mehr Freiheit: 'Spiele deinen Sirius'. Hm, ja, nicht mein Ding.
Dennoch finde ich die Aufnahme von des Vaters Komposition wesentlich interessanter als die Begleitung der Lichtperformance durch den Sohn. Die ist mir zu verhallt, fast klassisch, bestimmt nicht stilbildend und sicher auch eher begleitend gemeint. Sie entspricht absolut dem einfachsten aller harmonischen Raster. Ist nicht doof gemeint, aber schimpfe nicht auf die Raster, wenn du sie gar nicht erkennst, ja selber doch Anhänger dieser einfachen Strukturen bist.
Du bist Meister der Mundstücke, Hans, bezeichnest dein Werken als Kunst in der Kunst. Toll, da stehe ich zu, deine Arbeit überzeugt mich. Und du hast tausende von Formeln und Parametern im Kopf, die du sicher intuitiv anwenden kannst. Warum dürfen wir anderen Künstler das nicht?
Das ist nämlich der Knackpunkt, dass großer Erfahrungsreichtum in der Materie völlig natürlich rüber kommt, das Bedienen der Matrix und der Ausbruch aus dieser.
Gute Nacht, pü